Homosexualität und Heterosexualität – zwei Begriffe, die in Stein gemeißelt scheinen. Wir alle kennen sie und benutzen sie gerne, auch für andere Zeiträume und Kulturen. „Homosexualität im antiken Griechenland“, „Homosexualität im Islam“, „Homosexualität in der Habsburger Monarchie“ etc. Die Begriffe und deren klare Trennlinie kamen erst im 19. Jahrhundert auf – genauer gesagt das erste Mal im Jahr 1868. In dieser Zeit war die Welt in enormem Wandel. Nationalstaaten, verschiedenste Ideologien wie Nationalismus, Kommunismus und Sozialismus, sowie auch der Darwinismus kamen auf. Mit letzterem auch eine Zuwendung zu den Naturwissenschaften.
Im Zuge dessen wurde auch versucht, die unterschiedlichen Ausdrucksweisen sexueller Handlungen und Begehrensweisen in ein System zu fassen. Die Sexualwissenschaften wurden geboren. Erstmals gab es ein Feld der Wissenschaft, das sich explizit mit der Erforschung der Sexualität auseinandersetzte. Es waren vor allem diese Wissenschaftler(*innen), welche sich dem neuen Begriff der Homosexualität, welche als angeboren und “unüberwindbar” galt, zu Nutzen machten, um für die Dekriminalisierung ebendieser einzutreten. Gleichzeitig wurde von anderer Seite die Unterscheidung zwischen Hetero- und Homosexualität auch dafür verwendet, Heterosexualität als eine medizinische Norm zu kreieren und Homosexualität als Krankheit zu diffamieren. Heteronormativität wurde medizinisch begründbar, während alles davon abweichende pathologisiert wurde. Erst 1993 wurde Homosexualität von der Liste der Krankheiten der World Health Organization gestrichen. Trans* Sein, beziehungsweise Geschlechtsdysphorie, ist bis heute als Krankheit gelistet.
Dabei muss aber auch gesagt werden, dass nicht erst diese Pathologisierung und Verwissenschaftlichung zur Unterdrückung und Kriminalisierung der Queerness beigetragen haben. Es gab auch vorher schon sexuelle Akte, die zwischen gleichgeschlechtlichen Personen vollzogen wurden. Vorher waren diese jedoch vor allem in Europa durch die Kirche reglementiert und als Sodomie verteufelt. Dies wurde dann durch den Kolonialismus in den Rest der Welt verbreitet, wo in vielen Fällen die gesellschaftlichen Strukturen bis heute davon geprägt sind. Dabei ist dennoch zu beachten, dass geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in allen Kulturen der Welt vorkommen, sie sich teilweise aber in dem Rahmen, in dem sie ausgeführt und ausgelebt werden, unterscheiden. Deswegen spricht die Wissenschaft mittlerweile von Homosexualitäten und nicht einer Homosexualität. Ein messbares und überall anwendbares Bild von Queerness gibt es nicht.